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     Prof. Dr. Siegfried Nasko verfasste das Vorwort zum neuen Katalog von Iris Paounova, der Mitte Februar 2011 erschienen ist.

 

Mit ihren Bildern will Iris Paounova die Welt erlösen

Die Strukturen der Kunstförderung der ehemaligen Ostblockstaaten waren, wie Almuth Spiegler im „morgen“ ausführte, im allgemeinen zwar von negativer Beharrungskraft geprägt, dennoch legen einzelne Künstlerpersönlichkeiten mit schöner Dynamik wegweisende Arbeiten vor. Diese verdienen, wie es der Sonderkoordinator des Stabilitätspaktes für Südosteuropa Erhard Busek auf den Punkt brachte, unsere besondere Bewunderung. Iris Paounova knüpft meines Erachtens nach an die bulgarische Malertradition der 2oer Jahre des letzten Jahrhunderts an, die zum Wegbereiter für eine moderne malerische bulgarische Kunst wurde und deren Ursprung jeweils in der Seele der Künstlerpersönlichkeiten wurzelte. Kunst, das bedeutet für Paounova Leben, Gefühle, Gedanken, Kommunikation, eine universelle Ausdrucksform als Sprache innerster Wahrheit. Die ganze erfaßbare Welt mit all ihren Extremen, die in jedem Menschen verankert sind, bannt sie auf Leinwand, manchmal auch in Gedichten, mit der Vision, damit ein größeres unendliches Miteinander zu fördern. Zeichnen und Malen waren seit ihrer frühen Kindheit Paounovas große Sehnsucht, schon in der Schule war sie vom Ausdruck der schönsten Farben fasziniert. Die weißen Flächen der Leinwand bedeuten für sie Weisheit und Ehrlichkeit. Spannte sie ursprünglich noch selber den Keilriemen, so wählt sie bei zunehmend großformatigeren Bildern fertig bespanntes Material. Dabei bevorzugt Paounova, die auch in Öl malt, Kollagen, Grafiken und sogar Tonarbeiten gestaltet, Akryll und Mischtechnik. Sie beginnt oft mit Bleistift oder Kreide, unterstreicht mit Tusche und formt schließlich mit Farbe ihr jeweiliges Motiv. Ihr ist es das Höchste, sich selbst als Farbe zu fühlen, Farbe zu sein heißt für sie nämlich Malerin sein. Anagarika Govinda hat die Primärfarben Rot und Gelb wie Feuer und Licht als aktiv eingestuft, weiters Rot, Braun und Grün als Farben körperlicher Nähe und des Lebens, Orange steht für Gefühl und Wissen und letztendlich Blau für den potentiellen weiblichen Urgrund. Zur Verstärkung des jeweiligen Ausdrucks wählt die Malerin Symbole und Metaphern wie Tiere, Schmuckstücke oder Blumen.


Nur der inspirierte Mensch kann nach Walter Russell dauerhaft gültige Werke schaffen. Und um zu erschaffen, muß der Mensch erst empfangen. Man kann Malerei nicht einfach Abschauen, man muß sie vor allem erfinden, wie Josef Mikl fordert. Wer Menschen, Gesichter, Körper gestalten will, der ertrinkt gleichsam in der pyramidalen Monumentalität Leonardo da Vincis, im Formenreichtum Michelangelo Buonarottis oder in der Körpervielfalt von Peter Paul Rubens. All diese Heroen der Kunst faszinieren Paounova ebenso wie die Impressionisten Auguste Renoir und Vincent van Gogh oder der so stilbildende Pablo Ruiz Picasso und die zwischen Renaissancemalerei, neuer Sachlichkeit Surrealismus und Expressionismus anzusiedelnde Frida Kahlo. Thomas Bernhard prangerte in seiner Komödie „Alte Meister“ die noch so genialen Pinselstriche der etablierten Maler in den großen Museen als geheuchelte Welt an. Fasziniert von solchen Größen, angezogen von der jeweils virtuosen technischen Gestaltungskraft, eintauchend in all die Formenschätze, folgt Paounova letztlich ihrer eigenen inneren Stimme, ihrer Phantasie und ihrem Talent.


Vier Themenkreise sind es, die Iris Paounova besonders beschäftigen: Die Welt der Romas und die der Tibeter, Erotik und Gefühle sowie des Phänomens Tier im Menschen. Völker bedeuten allgemein Gemeinschaften von Individuen, die durch gemeinsame Vorfahren oder gemeinsame Kultur miteinander verbunden sind. Ethymologisch wurzelt im Begriff Volk das Tier Wolf, mit dem Gefahr, Raub und Ängste assoziiert werden. Ängste auch vor dem Fremden, dem Anderen. Iris Paounova ist gebürtige Bulgarin, ihr Vater aber war ein türkischer Roma. Von ihren Mitschülern wurde sie in der Schule daher ausgegrenzt, als unebenbürtig und fremd angesehen. Ihre andere Herkunft paßte nicht in den Insiderrudel. Dieses Erlebnis prägte die Malerin, sie malt sich den Schmerz der Vergangenheit mit den Romabildern von der Seele, es sind Schreie gegen die Intoleranz und für mehr Verstehen in dieser oft noch so gefühlskalten Welt. Romas leben in einem immerwährenden Heute, wie der Wind sind sie in ständiger Bewegung ohne Messias und große Vergangenheit. Das Wahrsagen ist bei den Romas nicht nur eine gute Einnahmequelle, sondern zumindest ebenso wichtiges Mittel, um sich mitb einer magischen unheimlichen Aura zu umgeben. Die von Paounova dargestellte Wahrsagerin lächelt in sich hinein im Bewußtsein, daß sie nur geduldig den menschlichen Torheiten zuhören muß. Statt Befriedigung weckt die Wahrsagerei immer neue Begierden nach Zukunftswissen. Der Blick nach innen, die sinnlich hintergründig lächelnden Lippen, die spitze Nase, die offenen Hände, der goldene Ohrring und der Lichtstrahl über dem Gesicht beleuchten die dunklen Hintergründe dieses Romabrauchtums. Dunkler brauner Teint und merkwürdig große, schräge schwarze Augen, die von dichten Wimpern umschattet sind, prägen die Gesichter der Zigeunerinnen. Nahezu alle Gesichter von Frauen, die Paounova kreiert, erinnern irgendwie an das Sterbezimmer von Edvard Munch oder an den hoffnungslosen Ausdruck im Frauengesicht auf Schöffels Winterhilfswerkplakat 1931. Es sind Monumente der Starre und des Leids, ewige Schreie, die niemand hört. Es ist das große Herz der Künstlerin, die das Klischee vom diebischen Roma verklärt: Das Zigeunerkind mit dem Truthahn, ist von der Sorge gezeichnet, daß das Lieblingstier geschlachtet und verzehrt werden muß. Tatsächlich gehört der Truthahn jedoch kaum den Romas, vielmehr dürfte er sich zu ihnen „verlaufen“ haben.


Fasziniert ist Paounova auch von Tibet, der großartigen Einsamkeit der Landschaft, dem leuchtenden Schneegebirge des Himalaya und der Exotik einer vielschichtigen fremden Kultur. Die traditionsfeindliche Politik Chinas löste auch in Paounova Mitgefühl mit den Tibetern aus. Sie kennt Menschen und Kleidung der Tibeter aus den Schilderungen von Rintschen Dölma Taring und sie kontrastiert das Gesicht einer Tibeterin mit dem von Inderinnen, wohl ein Dankeshinweis für die beispielhafte Asylpolitik Indiens gegenüber den tibetischen Flüchtlingen. Das Porträt des bereits betagten Togden Cholo oder Acoe wirkt strahlend, verjüngt, während im Gesicht des Eremiten Tengo aus Spiti sich die Entbehrungen von vierzig Lebensjahren in einsamen Höhlen einkerbten. Das Porträt „Auf der Suche nach der Erleuchtung“ zeigt die aus London stammende, heute 67jährige Nonne Tenzin Palmo, die nach Jahren der Einsamkeit bei Tashi Jong ein Frauenkloster gründete und die so zur Johanna Dohnal der buddhistsichen Frauen mutierte.


Nackte Frauen werden erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts mit normaler Sicht statt bisheriger biblischer Evas und mythologischer Venusse dargestellt. Paounova zeigt ihre Frauenakte meist als menschliche Torsos, deren Körper nicht nur entblößt sind, sondern deren Ängste, Hoffnungen und Sehnsüchte eingefangen werden. Nackt heißt hier nicht schlechthin Fleisch und Haut, sondern vor allem Gefühl. George Bataille schrieb „Die Erotik ist es, die im Bewußtsein des Menschen das Sein in Frage stellt.“ Paounovas Aktbilder sind sehr präsent mit oft nur wenigen Primärfarben. Die Aktfiguren haben oft geschlossene Augen und sind manchmal ohne individuelle Konturen. Dies läßt die Figuren in sich ruhen und zeigt sie selbstversunken, manchmal auch selbstreflexiv. Erotik ist für die Malerin eine Tür zu sich selbst und ein Gespräch mit den Betrachtern. Sie spart männliche Akte nicht aus, kreiert auch sie ohne Modell aus bloßem Empfinden.


Paounova spürt letztlich dem Tierischen im eigen Ich nach. Im Motiv „gefährliche Schönheit“ zeigt das Porträt sowohl weibliche als auch männliche Züge voll von Traurigkeit und erwartungsloser Melancholie. Überhöht symbolisieren ein blauer und rotgelber Ara mit ihren ausgreifenden Krallen die Schönheit und zugleich Gefährlichkeit dieses Tieres, das ebenso wie der rätselhafte Mensch Vorsicht in der Annäherung gebietet. „Geborgenheit mit Pfauenfedern“ zeigt zwei Frauen, deren Augen fatalistisch in die Weite starren. Blaue Federkrone und Prachtgefieder kleiden die königlich anmutenden Pfauenvögel. „Der Vogel in mir“ wirkt als Synonym für individuelles Anderssein, womit die Künstlerin ihr eigenes Bewußtsein hinterfragt. Das ganze Leben lang gehört der schwarze Vogel zur eigenen Person, womit es sich abzufinden gilt allem blauen Himmel über sich zum Trotz.


Nach Fjodor Dostojewski wird die Welt durch die Schönheit erlöst. Sowohl durch ästhetische Schönheit als auch durch das erleuchtete Strahlen einer Vision. Iris Paounovas Bilder strahlen in Motiven und Farben eine solche Vision aus, worin letztlich die höchste Funktion von Kunst besteht.

                                                                                                                                                                                                                                                                       

 


“Wir Roma und Sinti sind die Blumen dieser Erde.
Man kann uns zertreten,
man kann uns aus der Erde reißen,
man kann uns vergasen,
man kann uns verbrennen,
man kann uns erschlagen -
aber wie die Blumen kommen wir immer wieder...”


Prof. Karl Stojka

 


 

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